Zwischen den Welten


Sechstes Kapitel
Zwischen den Welten

Guillaume, Jean-Baptiste, Bruder Hugo und Philippe sassen an jenem Tag am selben Tisch im Speisesaal und führten eine angeregte Diskussion. Ihr Tisch befand sich am hinteren Ende des Saals direkt am Fenster, das einen herrlichen Blick hinaus in den Nebel bot.
«Ich vermisse die Sommervögel», bemerkte Guillaume und band sich die Serviette um. Er schaute mit einem völlig problemlosen Gesichtsausdruck zum Fenster hinaus. «Wird so unsere Zukunft aussehen? Wie der Blick aus diesem Fenster? Ungewiss, grau und ohne Perspektiven? Das Leben sollte doch sein wie ein Schmetterling an einem Sommertag. Voller Farben, Düfte, Zufrieden- und Vollkommenheit. Ich vermisse das Lachen der Natur.» Guillaume stierte zum Fenster hinaus wie ein Zierfisch aus dem Aquarium.
«Ich rate Ihnen, mein lieber Guillaume, nicht zu lange aus dem Fenster zu schauen, sondern sich vielmehr an dem zu ergötzen, was uns hier drinnen geboten wird», sagte Philippe nonchalant und begann, seine Fleischbrühe auszulöffeln, deren köstlicher Duft über dem Tisch hing. «Diese Consommé ist sehr wohlschmeckend, finden Sie nicht auch, meine Herren.»
«In der Tat, das ist sie, wie alles andere auch, das aus der Küche kommt», antwortete Bruder Hugo, der genussvoll seine Suppe hinunter schlürfte. «Die Küche lässt keine Wünsche offen. Es ist schon sehr erstaunlich, woher der Koch all die frischen Produkte, Zutaten und Ingredienzien herhat, um solch vorzügliche Gerichte zusammenzustellen und zu kredenzen.»
Dem Jakobinermönch lief die Brühe aus den Mundwinkeln in seinen vollen Bart, aber das kümmerte ihn überhaupt nicht. Geräuschvoll löffelte er seine Suppe aus. Guillaume lächelte seine Tischgenossen an und tat sich zufrieden an der Fleischbrühe gütlich, die ihre Wirkung nicht verfehlte und die Mitochondrien in seinem Körper zu Höchstleistungen antrieb.
Philippe tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab und sprach Folgendes zu seinen Tischgenossen: «Ich habe mich unlängst mit dem Koch unterhalten und ihn auf dieses Thema angesprochen. Und ob Sie es mir glauben oder nicht, meine Herren, der Koch selber weiss auch nicht, woher all die Zutaten kommen, die er benötigt. Sie sind einfach da. Er findet in der Vorratskammer alles, was er gerade benötigt. Frischen Fisch, gut abgehangenes Fleisch, Geflügel und Wild aller Art, frisches Gemüse, knackiges Obst, Brot und Gebäck, Gewürze, einfach alles. Auch sämtliche Getränke scheinen vorrätig zu sein. Er findet jeden Wein, jeden Schnaps. Kurz gesagt, jedes Getränk, das gewünscht wird, ist vorhanden. Er brauche jeweils nur niederzuschreiben, was er am kommenden Tage zu kochen beabsichtige, und schon würden sämtliche Zutaten wie von Geisterhand über Nacht in die Vorratskammer gebracht.»
Philippe hielt in seinen Ausführungen inne, das Geschirr wurde abgeräumt und der zweite Gang serviert: Kalbfleisch im eigenen Saft und verschiedene Hors-d’oeuvres.
«Der Koch ist der Meinung – oder besser gesagt, er hegt den Verdacht –, dass dieses Gebäude eine Art Bewusstsein hat, dass es fähig ist, in die Psyche seiner Bewohner einzudringen und auf deren Wünsche und Bedürfnisse einzugehen. Natürlich ist es schwer, sich vorzustellen, dass ein Haus, das vorwiegend aus toten Materialien gebaut ist, ein Bewusstsein haben soll.»
Philippe klaubte eine schwarze Olive aus einer kunstvoll gefertigten Schale und blickte seinen Tischgenossen mit hochgezogenen Brauen in die Augen. Dann steckte er sich die kugelige Steinfrucht in den Mund und fuhr mit den folgenden Worten fort: «Der Koch meint ausserdem, dass es an einem Ort wie diesem, den einzuordnen noch niemand von uns imstande ist, nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Und dass es für uns alle besser sei, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie nun mal sind, auch wenn es uns mitunter schwerfällt. Und da kann ich ihm nur beistimmen.» Er spuckte den fein säuberlich abgenagten Stein der Olive dezent in seine linke Handfläche und legte ihn auf den Rand seines Tellers. «Meine Herren, ich und der Koch haben das untrügliche Gefühl, dass uns dieses Haus und dieser von Wasser umgebene, unwirtliche Ort wohlgesinnt sind. Warum sie das sind, das wissen wir beim besten Willen nicht. Und ob sie es bleiben werden, wissen wir genauso wenig.»
Philippe steckte sich erneut eine Olive in den Mund, klaubte eine weitere aus der Schale und behielt sie in der hohlen Hand. «Sehen Sie sich diese Olive an, meine Herren, ist sie nicht vollkommen? Vollendet in Form, Farbe und Geschmack bereitet uns diese Steinfrucht Freude. Aber wo ist sie gewachsen? Wir wissen es nicht. Zweifelsohne hat diese Olive nicht die Sonne reifen lassen. Ebenso wenig wurden die Wurzeln des Olivenbaums, an dessen Ästen sie gewachsen ist, vom Regen gewässert. Sie war plötzlich da. Ausgereift lag sie in der Vorratskammer. Sie wurde meines Erachtens Kraft des Willens und der Gedanken einer höheren Macht manifestiert. Einer Macht, die diesem Gemäuer innezuwohnen scheint und gleichzeitig in unsere Köpfe schaut.»
Alle am Tisch blickten gebannt auf die Steinfrucht in Philippes Handfläche. Bruder Hugo wischte sich Mund und Bart sauber und sagte: «Was reden Sie da von höherer Macht, mein lieber Philippe! Es ist doch offensichtlich, wer überhaupt im Stande wäre, diesem kalten Gemäuer Leben einzuhauchen. Wer kann das Unmögliche möglich machen? Wer verfügt über die Macht, die Zeit zu überlisten? Wem obliegt es, uns allen eine derartige Prüfung aufzuerlegen? Gott! – Meine Herren, ich habe das Gefühl, dass wir Gott näher sind, als es uns Sterblichen zusteht. Der Herr beschert uns all die Wunder, die uns an diesem Orte widerfahren. ER – und nicht dieses Gemäuer – schaut in unsere Köpfe. ER sorgt für unser leibliches Wohl, damit wir stark genug sind, diese Prüfung zu meistern und zu erkennen, warum wir hier sind.» Bruder Hugo nahm einen kräftigen Schluck Rotwein und fuhr fort, indem er also sagte: «Ein vorzüglicher Wein. Mein lieber Guillaume, stammt dieser edle Tropfen tatsächlich von einem Ihrer Weingüter?»
Bruder Hugo betrachtete mit zusammengekniffenen Augen den tiefroten Traubensaft in dem handgeblasenen Glas, dessen Inhalt er durch sachte Kreisbewegungen seiner Hand in Bewegung versetzte und dadurch beinahe die gesamte Innenwand des Glases mit Wein benetzt wurde. Bruder Hugo schien zufrieden zu sein mit dem, was er sah und hielt inne mit seinen Kreisbewegungen, um die Adhäsion zu prüfen.
«Ein vorzüglicher Tropfen, den uns der Herr in seiner Allgüte geschenkt hat. Ich frage mich ernsthaft, womit wir dies edle Getränk verdient haben.»
Inzwischen hielten seine drei Tischnachbarn ihre Gläser ebenfalls in Händen und betrachteten schweigend den Wein, dessen Farbtiefe auf Reinheit und dessen Farbton auf ein beträchtliches Alter schliessen liessen.
«Das ist in der Tat ein vorzüglicher Wein», sprach Jean-Baptiste, «wenn man bedenkt, dass es ihn gestern noch nicht gegeben hat und dass er keine Zeit hatte heranzureifen.»
«Da muss ich Ihnen widersprechen, mein Freund», unterbrach ihn Guillaume, der die Flasche in seiner Linken hielt und mit dem Zeigefinger seiner Rechten auf das Etikett zeigte, «dieser Wein, der tatsächlich von einem meiner Weingüter stammt, hatte sehr wohl Zeit heranzureifen. Es handelt sich um einen 1625er-Bordeaux und er ist somit zwanzig Jahre alt. Und das ist sicherlich genug Zeit, um heranzureifen zu dem, was er heute ist: ein wahrlich vortrefflicher Wein.»
Guillaume lächelte zufrieden sein hervorragendes Produkt an, von dem er überzeugt war, dass es die Natur hervorgebracht hatte. Dann deutete er seinen Tischgenossen ein Wohlbekomms an und nahm einen kräftigen Schluck. Die anderen taten es ihm gleich.
«Dieser Wein ist für Sie, mein lieber Guillaume, zwanzig Jahre alt. Aber nicht für uns, die wir alle nicht im Jahre 1645 an diesen Ort gelangten», ergriff Philippe wieder das Wort. «Für mich ist dieser Wein siebenundfünfzig Jahre alt, denn ich gelangte im Jahr 1682 an diesen seltsamen Ort. Und ich muss sagen, für einen so alten Tropfen mundet er gar köstlich.» Philippe nippte erneut an seinem Glas, stellte es zurück auf den Tisch und schnitt sich ein Stück vom Kalbfleisch ab.
«Und für mich dürfte dieser Wein noch gar nicht existieren. Mein geregeltes Leben ist mir im Frühsommer 1620 abhanden gekommen», tat nun auch Jean-Baptiste seine Meinung kund. «Langsam erhärtet sich in mir der Verdacht, dass wir unfreiwillig zu Zeitreisenden geworden sind. Wie anders sollen wir die Tatsache erklären, dass wir uns alle zur selben Zeit hier befinden.»
«Ach, Jean-Baptiste, hören Sie doch auf, Zeitreisen gibt es nicht», erwiderte Bruder Hugo. «Wir sind hier, weil Gott uns hierher bestellt hat. Und weil Gott über die Zeit herrscht, ist es nicht verwunderlich, dass sich Menschen aus verschiedenen Zeiten hier befinden. Ich schlage vor, meine Herren, dass wir den Aspekt Zeit nicht zu sehr gewichten und wir unsere Kräfte darauf verwenden herauszufinden, was uns verbindet und uns schliesslich hierhergebracht hat. Und in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier nur wenige Leute sind, dürfte es nicht allzu schwierig sein, in dieser Richtung etwas herauszufinden, das uns weiterhilft.»
Bruder Hugo stopfte sich ein beachtliches Stück Fleisch in den Mund und kaute geräuschvoll darauf herum.
«Bruder Hugo hat Recht», stimmte Guillaume seinem Tischnachbarn zu, der schmatzend mit seinem grossen Kopf nickte und das Fleisch mit einem kräftigen Schluck Wein hinunterspülte.
Nach den Entremets wurden ein herrlich zubereiteter Truthahn, eine üppige Gemüseplatte und Salate serviert.
«Wir brauchen Informationen», ergriff Bruder Hugo erneut das Wort, während er dem Truthahn zu Leibe rückte, «wir brauchen Informationen über das Leben sämtlicher Anwesenden. Alle müssen ihr bisheriges Leben offenlegen, ob es ihnen passt oder nicht. Nur auf diese Weise werden wir Gemeinsamkeiten finden, die ausschlaggebend dafür sein könnten, warum wir hier sind.» Bruder Hugo wischte sich die fettigen Finger mit der Serviette und nahm einen Schluck Wein, bevor er dem Truthahn ein weiteres Stück vom Torso riss. Und da man zu jener Zeit noch nichts von Tischmanieren hielt, sprach Bruder Hugo mit vollem Mund weiter, indem er also sagte: «Möglicherweise ist es für den einen oder andern unangenehm, alles offenzulegen, aber seien wir doch mal ehrlich, meine Herren, was könnte uns an diesem Ort denn noch erschüttern oder in Staunen versetzen. Mir fällt in der Tat nichts ein. Alle müssen ihre Geheimnisse preisgeben, sollten sie noch so geheim oder noch so schrecklich sein, denn gerade dort vermute ich Zusammenhänge, die uns bei unserer Suche von Nutzen sein könnten.» Bruder Hugo blickte einem nach dem andern in die Augen, während er unermüdlich auf dem Truthahnfleisch rumkaute. Sein Bart war inzwischen voller Speisereste. Er hatte einen ausserordentlich gesunden Appetit und man hätte meinen können, dies sei sein letztes Mahl, bevor er auf eine lange Reise aufbricht. Seine Esslust war in der Tat erstaunlich. Guillaume und Philippe schnitten sich je ein schönes Stück von der Truthahnbrust und übergossen das weisse Fleisch mit etwas Bratensauce, während sich Jean-Baptiste den Teller mit Gemüse häufte.
«Vielleicht sollten wir nebst der Annahme, dass uns Gott hierhergebracht hat, auch noch andere Möglichkeiten in Betracht ziehen», sagte Jean-Baptiste und wandte sich an Bruder Hugo, der seine fettigen Finger ablutschte und mit dem Kopf nickte wie ein balzender Entenvogel. «Ich schlage deshalb vor, dass wir nicht alles in die Hände Gottes legen und nicht ausschliesslich seinen Willen und seine Macht dafür verantwortlich machen, was uns hier widerfährt, sondern mögliche Antworten auch auf anderen Wegen suchen...»
«...welche da wären?», unterbrach ihn Bruder Hugo und stopfte sich mit dem Finger etwas Truthahnhaut in den Mund.
«Da wäre zum Beispiel die Brücke», erwiderte Jean-Baptiste etwas pikiert», irgendwohin muss diese Brücke ja führen. Wir sollten je ein paar Leute in die eine und ein paar in die andere Richtung losschicken. Und sie sollten wenigstens zwei Tage in dieselbe Richtung gehen. Dann müssten sie umkehren, egal ob sich etwas ereignet hat oder nicht.» Jean-Baptiste widmete sich wieder seinem Gemüse und hoffte insgeheim, dass sein Vorschlag Unterstützung fände.
«Jean-Baptiste hat Recht», sagte Philippe», wir sollten in mehrere Richtungen ermitteln. Ich schlage vor, dass Bruder Hugo und Guillaume sich mit allen unterhalten und nach Gemeinsamkeiten suchen, während sich Jean-Baptiste und ich Gedanken darüber machen, wen wir in den Nebel hinaus schicken. Dass für dieses Unterfangen die Damen nicht in Frage kommen, bedarf wohl keiner Erklärung.»
Jean-Baptiste lächelte zufrieden und nippte an seinem Glas.
«Ich werde heute noch sämtlichen Gästen und Angestellten mitteilen, dass sie zu gegebener Zeit von Bruder Hugo und Guillaume aufgefordert würden, einen kurzen Abriss ihres vorangegangenen Lebens zu geben und die Umstände zu erläutern, wie und wann sie hierher gekommen sind. Es wird für Sie mitunter etwas befremdlich klingen, wenn sie von Ereignissen hören werden, von denen Sie noch nichts wissen können. Aber es wird Sie bestimmt in höchstem Masse unterhalten, meine Herren. Ob Sie das, was Sie hören, glauben oder nicht, ist allein
Ihre Sache. Diese Umstände werden Ihre Aufgabe nicht gerade vereinfachen, darum bitte ich Sie, meine Herren, Ihre Aufmerksamkeit besonders auf Dinge zu richten, die Ihnen verdächtig vorkommen und auf Hinweise deuten, die besonders wichtig sein könnten.»
Philippe richtete seinen Blick abwechslungsweise auf Guillaume und Bruder Hugo, welche ihm zuhörten, als würde er sie in eine Geheimbündelei miteinbeziehen. Der Zerfall des Truthahns war schon recht fortgeschritten, als Ale­xandre des Cars, der die Rolle des Kellners übernommen hatte, abräumte und kurz da­rauf Käse, Obst und Konfitüre servierte.
«Erstaunlich, dieses Obst», sagte Guillaume und meinte, dass man nicht einmal in den besten Kreisen in Paris solch herrlich herangereiftes Obst bekomme. «Seit sich ein Grossteil Europas in diesem nicht enden wollenden Krieg befindet, hat die landwirtschaftliche Produktion einen empfindlichen Einbruch erlitten – mitunter auch bei uns in Frankreich –, und das wenige Obst und Gemüse, das noch produziert wird, wird von marodierenden Söldnertruppen beschlagnahmt, die sich in den Wirren des Kriegs, dessen Führung schon lange unkontrollierte Züge angenommen hat, selbst ernähren müssen.»
Guillaume hielt einen roten glänzenden Apfel in seiner rechten und eine grellgrüne Birne in seiner linken Hand und schien die beiden Früchte gegeneinander abzuwägen.
«Ich nehme mal an, mein lieber Guillaume, dass Sie vom Dreissigjährigen Krieg sprechen», sagte Philippe und nahm eine Traube aus der Früchteschale, deren Beeren glänzten, als wären sie poliert worden.
«Ich spreche von diesem unmöglichen Krieg, der kein Ende zu nehmen scheint, mein Freund, und ich weiss beim besten Willen nicht, wie man ihn in Ihrer Zeit nennt. Und Sie können sich glücklich schätzen, dass Sie diesen Krieg, der in ganz Mitteleuropa allmählich zu einer politischen und wirtschaftlichen Katastrophe führt, nicht erleben müssen. Auch wenn dieser Krieg uns Franzosen nur am Rande trifft, nimmt unser katholisches Vaterland eigene Machtinteressen wahr und wird seinen Teil bestimmt noch dazu beitragen, dass Europa im Chaos versinkt.»
Guillaume entschied sich für die Birne und legte den Apfel zurück in die
Schale.
«Wenn es Sie beruhigt, dann kann ich Ihnen versichern, dass dieser Krieg noch drei Jahre dauern wird.»
Guillaume spitzte die Ohren und erwiderte zynisch: «Drei Jahre brauchen diese Idioten noch, bis sie sich endlich entscheiden, zu welcher Konfession sie gehören sollen. Drei Jahre!»
«Und dann geht es nahtlos über zu den nächsten kriegerischen Auseinandersetzungen, mein Lieber», sprach Philippe, «unser geliebtes Heimatland wird sich unter König Ludwig XIV., den wir liebevoll den Sonnenkönig nennen, zu einer veritablen Grossmacht mausern, die natürlich auch ihre Ambitionen hegt.»
«Ja ja, mein lieber Guillaume, verschonen Sie mich mit Ihren düsteren Zukunftsvisionen, oder ich fange langsam an, mich glücklich zu schätzen, hier an diesem Ort zu sein, der von allem verschont zu bleiben scheint.»
Guillaume riss den Stil der Birne weg und biss herzhaft in die Steinfrucht, während ihm Bruder Hugo und Jean-Baptiste kopfnickend beipflichteten. Philippe sprach noch eine Zeitlang über die Rolle Frankreichs im Dreissigjährigen Krieg, über den Sonnenkönig und dessen Bestrebungen, die Beziehungen zu England zu festigen, indem Frankreich während des englischen Bürgerkriegs Karl II. Schutz gewährte, nachdem die Roundheads in einer revolutionären Erhebung dessen Vater Karl I. hatten hinrichten lassen. Philippe erwähnte Oliver Cromwell, dessen Gewaltherrschaft nicht lange dauerte, und die Engländer schliesslich Karl II. zurückholten, welcher fortan als König amtete und zu seinem Missfallen gegenüber dem Parlament gehörig an Macht einbüsste.
Für Bruder Hugo, Guillaume und Jean-Baptiste hörte sich das alles sehr befremdlich an, und sie lauschten den Worten Philippes sehr aufmerksam und schauten einander mitunter konsterniert an. Die Lektion in Zukunftshistorie war äus­serst eindrücklich. Die Zeit verging wie im Flug und der Speisesaal hatte sich inzwischen geleert. Nur noch die vier Herren sassen an ihrem Tisch, tranken Likör und Schnaps und steckten die Köpfe zusammen, als ob sie ein Komplott schmiedeten.